Transnistria Teil 3
![]() |
|
Strand nahe dem Hafen von Zatoka: Hier fließt der Dnister ins schwarze Meer. | |
REISE REPORTAGE -OSTEUROPA: RUMÄNIEN, UKRAINE, TRANSNISTRIEN, MOLDAWIEN | |
Da das Regime diesen Zustand billigt, bzw. selber verantwortet,
profitiert das Land davon (u. a. auf Kosten Moldawiens).
So erstarkt nicht etwa das Unrechtsbewusstsein des Volkes, sondern
dessen Wille zur Souveränität. In Volksabstimmungen wird eine
Angliederung an Moldawien regelmäßig nahezu
hundertprozentig abgelehnt. Obgleich die Unabhängigkeit
Transnistriens schon zahlreiche Menschenleben gekostet hat, ist der Glaube
daran ungebrochen: Die Gräber der gefallenen
Freiheitskämpfer nehmen den größten
Teil des Stadtzentrums ein.
Alle sind mit frischen Blumen geschmückt und die
Denkmäler der Gewehr tragenden Soldaten zeigen,
dass man diese Männer hier als Helden verehrt.
Patriotische Einheimische rühmen darüber hinaus
die Leistungen ihrer Fußballmannschaft "Sheriff"
und die Geschäfte verweigern die Annahme
fremder Währungen.
Wir müssen uns Transnistrische Rubel kaufen.
Da das kein "echtes" Geld ist, wird es auch nicht direkt vom
Geldautomaten gegen die Kreditkarte ausgezahlt (man
könnte sich ja, zurück in der "realen Welt", beim
Kreditinstitut beschweren, einen Haufen wertloser Scheine
erhalten zu haben). Stattdessen müssen wir Russische Rubel
abheben und erwerben damit in einer der zahlreichen Wechselstuben
ein Bündel Transnistrischer Rubel.
Dafür erhalten wir dann (außer Cognac von KVINT)
den leckersten Kaviar, den wir je hatten
(produziert in einer örtlichen Fischzucht)
sowie Zugang zum Partyboat, das uns über den Dnister
fährt.
Das Boot verbindet die zentralen Clubs, das Plazma und
das Cherie. | |
![]() |
|
Die Bikes vor der Bar. | |
![]() | |
Das Bologneser Sporttourer-Flaggschiff (’05 ST4S-ABS) schlug sich wacker durch die karge Landschaft. | |
Hier knüpfen wir schnell Kontakt zu den
hübschen einheimischen Mädels, die alle ein wenig
Englisch sprechen (an dieser Stelle grüßen wir Lenochka,
Natalia und Olga).
Dennoch haben die wenigsten von
ihnen jemals andere Länder gesehen und wir wirken mit
unseren Bikes wie eine echte Attraktion. Am nächsten
Morgen lädt uns Lenochka zum Schulabschlußball ein;
ihre Schwester hat gerade die Schule beendet. Der Schulball
ist, nach der Bootsparty, ein weiteres Highlight unseres
Transnistrien Besuchs: Der Zeugnisverleihung folgt eine
Parade, an der scheinbar die gesamte Bevölkerung teilnimmt,
und immer wenn ein wichtiger Politiker vorbei kommt,
jubelt die Masse ihm wie einem Popstar zu. Überhaupt haben
wir den Eindruck, der wesentliche Lebensinhalt der Transnistrier
bestünde darin, ihre Unabahängigkeit, ihre Helden,
ihre Schüler, ihre Politiker oder sonst irgendetwas zu
feiern.
Korruption ist in Transnistrien leider weit verbreitet, aber (solange man etwas "mitspielt") nicht zwangsläufig teuer: Unser Übersetzer nannte uns bei der Einreise den Namen eines der wichtigen Männer, und als wir tatsächlich einmal auf unseren Motorrädern angehalten werden und, seinem Ratschlag gemäß, dem "Polizisten" sagen, der Mann sei unser ДрУг (was soviel heißt wie Genosse bzw. Freund), lässt man uns ohne jegliche Komplikationen weiterfahren. |
![]() |
Konstantin und die Babushkas. | |
Soziale Netze | |
Auch von Transnistrien haben wir ein kleines → Video
auf YouTube hochgeladen.
Darin sind u. a. die
Mädels zu sehen, die uns von Party zu Party geführt haben.
Als ein Kommentator im Internet nachfragt, ob die gezeigte
last-day-of-school"-Parade eine Demonstration sei, sind
wir (wieder zurück in München) dann kurzzeitig
doch ein wenig um das Wohlergehen unserer transnistrischen
Bekanntschaften besorgt.
Immerhin berichtet Amnesty International regelmäßig von schweren Verstößen gegen die Menschenrechte. So lustig das Partyleben vor Ort auch scheint, mit Regimekritikern gehen die Machthaber Transnistriens scheinbar nicht zimperlich um. Und ob eine Anmerkung im Internet bezüglich der Teilnahme an einer Demonstration (die ja gar keine war) bereits genügt, um die Mädels in die Nähe von Dissidenten zu rücken, können wir nicht einschätzen. Zum Glück waren unsere Sorgen unbegründet: Schon wenig später schicken unsere Bekannten uns Grüße zurück. | |
![]() | |
Wo immer es ging, drehten wir fröhlich am Gas. | |
Insgesamt können wir jedem abenteuerlustigen Biker, der
eine Tour an die Schwarzmeerküste plant, einen Besuch
Transnistriens also durchaus empfehlen.
Solange man nicht provoziert, ist man dort auch keiner
übermäßigen Gefahr ausgesetzt.
Einzig, was die Unterkunft angeht müssen wir Interessierten die Suche selbst überlassen (irgendwo gibt es angeblich ein Hotel namens "Druzba"). Die private Unterkunft bei der Familie unseres Übersetzers wollen wir nicht empfehlen, zumal die hygienischen Verhälnisse und das Krabbelvieh (wir nannten ihn "Spocky" ...) uns dort einiges an Leidensfähigkeit abverlangten - selbst nach Erfahrungen mit Stehklos ohne Tür, die man in der transnistrischen Gastronomie findet und einigen tausend Kilometern im Motorradsattel. |
![]() |
Geputzt waren unsere Bikes immer schnell - | |
![]() | |
Traumhafter Sonnenuntergang. | |
Moldawische Gastlichkeit | |
Kaum zurück "im Westen", machen uns die letzten Überraschungen Moldawiens ihre Aufwartung. Zunächst müssen wir zur deutschen Botschaft auf der Str. Maria Cibotari in Chişinău. Da wir zwar Ausreisestempel aus der Ukraine in unseren Pässen haben, aber keine Einreisestempel für Moldawien, ist dieser Besuch zwingend. Wer über Transnistrien einreist und sich dort keine Ausreisegenehmigung ausstellen lässt, muss an der Grenze mit einer Strafe wegen "illegalen Aufenthalts" rechnen (und das kostet, laut Auskunft des Botschafters, einige hundert Euro pro Person). Glücklich über den nächsten kyrillischen Stempel im Pass, lassen wir uns im Café Chişinău (neben dem gleichnamigen Hotel in der Stadtmitte) nieder und blättern noch ein wenig in unserem Lonely Planet-Guide "Eastern Europe". |
![]() |
Moldawische Behörden | |
Das Buch ist übrigens sehr zu empfehlen, da sich dort zu beinahe allen Stationen in Osteuropa nützliche Informationen finden lassen: Restaurants, Tourist Offices und Unterkünfte inkl. Kostenbereich und Bewertung (den Tipp mit der deutschen Botschaft haben wir auch aus diesem Buch). Zu Chişinău finden wir darin eine Warnung: Wer in einem Lokal etwas bestellt, ohne vorab nach dem "total price" zu fragen, wird grundsätzlich beschissen! | |
![]() | |
Café Chişinău | |
Sofort bestellen wir die Rechnung und bekommen prompt eine zusammenfantasierte Auflistung von Posten aufgetischt (Service, Besteck, etc.), deren Summe mehr als das doppelte unserer Bestellung ausmacht. Wütend geben wir dem Wirt alle unsere übrigen Lei (ungefähr die Hälfte des Betrags auf der Rechnung), erklären, dass wir weiter nichts bezahlen werden und verlassen seinen miesen Laden, während er uns noch eine Lektion in russischem Fluchen erteilt. Dass derart ungastliches Verhalten in einem Land, das sich mit Tourismus generell schwer tut, selbst im zentralen Stadtcafé, Gang und Gebe ist, veranlasst uns dazu jeden, der einmal nach Chişinău kommt, aufzurufen dort hinzugehen und die Zeche zu prellen. Vielleicht kann man den Mann so dazu bringen, seine Vorstellungen von Gastlichkeit noch einmal zu überdenken. | |
Der Weg zurück | |
Unsere Rückfahr-Route verläuft einige hundert Kilometer weiter nördlich als die Hinfahrt. Zum einen wollen wir unbedingt einen Kreis (oder eine Ellipse) auf der Landkarte fahren, um noch viel Neues zu sehen. Zum anderen wollen wir die verschneiten Karpaten und die holprige M15 nicht noch einmal durchfahren. Spätestens bei Morozeni zweifeln wir dann aber erstmals, ob wir beim Kauf unserer nächsten Bikes wieder nur nach Optik und Kultfaktor gehen werden, oder doch auch auf solche Eigenschaften wie Offroad-tauglichkeit achten sollten. | |
![]() | |
Auf Abwegen in Moldawien. | |
![]() | |
Mehrfach hört die asphaltierte Straße ohne jede
Vorankündigung auf und wir finden uns auf Baustellen,
Schotter oder - noch schlimmer - Schlammpisten wieder.
Teile der Fahrt durch den Morast bestehen nur noch darin uns gegenseitig aus Löchern zu schieben, in denen sich eines unserer Bikes festgefahren hat. Die staunenden Blicke der vorbeiziehenden Viehhirten und Pferdekutscher, die unsere verzweifelte Frage nach "Asphalt" nur mit schwer zu deutenden Gesten beantworten, machen uns zu diesem Zeitpunkt nicht mehr stolz, sondern nur noch mürrisch. Seinen Höhepunkt erreicht das vor der rumänischen Grenze, an der wir erstmal mehrfach vorbeifahren. Da die Grenze durch keinerlei Hinweisschilder gekennzeichnet ist, die Sonne längst untergegangen, und das Garmin außer "Berechne 0%" und "Unbekannter Ort" nichts mehr zu melden hat, erkennen wir diese zuerst gar nicht als solche. Der kleine Zaun wirkt auf uns wie die Absperrung einer Baustelle und wir fahren zunächst ein paar Stunden lang in tiefster Nacht, auf unseren Maschinen um die Grenze herum. So holpern wir vom einen verschlammten Schuttloch ins nächste. Irgendwann beschließen wir an dem kleinen beleuchteten Häuschen auf der "Baustelle" die Arbeiter nach dem Weg zu fragen. |
![]() |
Schlamm haben unsere Bikes jede Menge abbekommen. | |
![]() | |
Gegenverkehr gibt’s überall. | |
Als ein uniformierter Grenzer herauskommt und nach unseren Pässen fragt, können wir uns nicht zurückhalten und brechen in schallendes Gelächter aus, was uns ein paar weitere Stunden sorgfältigster Kontrollen unseres Gepäcks beschert. Schließlich begeistern wir die Grenzer aber mit den illustren Stempelsammlungen in unseren Pässen sowie mit 50-Cent Münzen aus Deutschland und Österreich in unseren Portemonnaies: "Can I keep this? unbelievable! Thank you so much!" In den frühen Morgenstunden dürfen wir dann auch hier noch passieren. | |
![]() | |
Zum Glück brauchten wir als Motorradfahrer in Rumänien nicht auch noch Vignetten. | |
Zurück im Kurvenparadies | |
![]() | |
An Gelegenheiten zur flotten Kurvenfahrt mangelte es uns hier nicht. | |
Breite, lang gezogene Wechselkurven, frei von Verkehr und alles perfekt asphaltiert (wären da nur nicht die vielen Speed Traps). Die Bergetappe bei Obcina Mare (Kreis Suceava) ist ein Eldorado für Sportmaschinenfahrer und ein krönender Abschluß unserer erlebnisreichen Tour. Für die Rückfahrt über Ungarn und Österreich leisten wir uns dann wieder ein paar Vignetten und nehmen den direkten Weg über die Autobahn nach München. | |
![]() |
|
|
|
Text: Jan Dünnweber und Konstantin Kirsch |
Bericht vom 20.12.2011 | 6.895 Aufrufe