Motorrad Fahrverbot in Tirol kommt 2021 wieder - Strecken ident

95 dB Standgeräusch maximal ab 15.April im Ausserfern

Lange hat sich die Tiroler Landesregierung mit der Evaluierung des letztjährigen Fahverbots für "laute" Motorräder Zeit gelassen. Das Ergebnis: Nichts - 2021 erfolgt keine inhaltliche Veränderung der realitätsfremden Verordnung. Allerdings startet sie anstatt im Juni heuer bereits im April.

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Vorgeschichte des Motorradfahrverbots

Im Jahr 2020 beschloss die Tiroler Landesregierung Landeshauptmannstellvertreterin Mag. Ingrid Felipe zum Schutz der Anrainer von fünf betroffenen Strassenzügen (siehe Abbildung unten) ein Fahrverbot für Motorräder, die im Zulassungsschein mehr als 95 dB Standgeräusch (Nahfeldpegel) eingetragen haben. Diese Verordnung war vom 10. Juni bis zum 31. Oktober in Kraft.

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Auch 2021 kehrt das hitzig umstrittene Fahrverbot zurück

Die Verordnung wird 2021 beinahe 1:1 aus dem Jahr 2020 übernommen, lediglich der Geltungszeitraum wird verlängert und erstreckt sich nun von 15.4. bis 31.10. Dazu muss erwähnt werden, dass die praktische Bedeutung der Vorverlegung an vielen Punkten der betroffenen Strassen zu vernachlässigen ist, der Hahntenjochpass beispielsweise öffnet aufgrund der Höhenlage und dem damit verbundenen Schneeaufkommen selten vor Ende Mai. Die Befürchtungen aus der Community, dass uns wohl für dieses Jahr Streckensperrungen wie in Deutschland drohen, oder das die Regelung auf andere Strassen ausgeweitet wird, bestätigten sich somit glücklicherweise nicht.

Strecken die 2021 von Motorrad Fahrverboten in Tirol betroffen sind
Auf diesen Strecken dürfen von 15.4. - 31.10.2021 keine Motorräder mit einem Standgeräusch von über 95 dB fahren

Saurer stösst uns eher auf, dass der Umstand, dass die Vorgehensweise Nahfeldpegeleinträge zu kontrollieren und diese nicht zu messen, in keiner Relation zur realen Lärmemission steht und daher nicht tauglich ist Lärm zu reduzieren. Dieser Umstand wird allerdings von der Regelung der Tiroler Landesregierung schlichtweg ignoriert. Legale Motorräder werden dadurch NICHT von illegalen Fahrzeugen unterschieden. Es folgte also eine Pauschalierung und sämtliche korrekt homologisierten Fahrzeuge, die einen Nachfeldpegel von mehr als 95 dB im Zulassungsschein aufwiesen, wurden von diesen definierten Strecken verbannt. Gerichte beschäftigen sich laufend mit dieser Causa. Eine Entscheidung des österreichischen Verfassungsgerichtshofes ist noch ausständig.

Die durchgeführte Evaluierung im Detail

Heute fand die Präsentation der Evaluierung der ersten Saison der 95dB Verordnung in Innsbruck statt. Grundlage der Evaluierung ist die Befragung eines Samples von 250 Personen (die Grundgesamtheit der direkt Betroffenen wurde mit 10.000 Anrainern definiert), die direkt betroffen sind. Die Befragung wurde im November 2020 telefonisch durchgeführt. Kernaussagen der Evaluierung sind, dass die Anzahl der Motorräder im Ausserfern um rund 36% rückläufig war, dadurch eine Lärmpegelreduktion von 2 dB erzielt wurde und eine deutliche Mehrheit der Befragten dem Fahrverbot sehr positiv gegenübersteht. Der Gesamtverkehr auf den Strecken ging pandemiebedingt aber ebenfalls um 35,6% zurück, die Aussagekraft dieser Zahl ist also eher gering. Allerdings fühlt sich mit 29 % der Studie weiterhin stark von Motorradlärm belästigt, dieser Wert hat sich jedoch im Vergleich zu den Befragungen von 2019 mehr als halbiert (wohl auch wegen des insgesamt zurückgegangenen Verkehrs). Die stärkste Reduktion war am Hahntennjoch zu beobachten. Der Motorradverkehr hat sich dort 2020 halbiert. 46% der Befragten räumen jedoch ein, dass es dadurch auch Einbussen im Tourismus gab. Eine Fokusgruppe, erstellt von der Tiroler Landesregierung (WK, AK u.a.), die die wirtschaftlichen Auswirkungen analysiert hat, konnte diese Befürchtungen nicht bestätigen. Die Evaluierung im Detail ist auf der Website der Tiroler Landesregierung abrufbar.

Herbert Gassner, Geschäftsführer der MoHo Motorradhotels Österreichs bringt es auf den Punkt und meint dass die Saison 2020 aufgrund der besonderen Covid-Situation absolut keine realistischen Rückschlüsse zulässt, das heisst der Erfolg 2020 auf verzerrten und unüblichen Marktvoraussetzungen beruht. Gassner weiter: Sehr viele Motorradurlauber, die ansonsten attraktivere Ziele weiter im Süden - Italien, Slowenien, Südfrankreich - anvisieren, sind 2020 aufgrund diverser Reisebeschränkungen bzw. auch aufgrund falscher Annahmen nach Österreich ausgewichen. So waren z.B. die Betten in Südtirol - mit Ausnahme der italienischen Ferienzeit - vielfach leer. Es waren kaum ausländische Motorradfahrer anzutreffen. Urlauber, die regulär Fernziele besucht bzw. Flugreisen absolviert hätten, mussten sich auf Nahziele beschränken. Davon hat nicht nur Tirol, sondern gesamt Österreich massiv profitiert. Aus diesem Grund hat sich vorübergehend auch in den ausgesprochenen Motorradhotels die Nachfrage von alternativen Zielgruppen erhöht. Das kann nur als Einmaleffekt betrachtet werden, so Gassner. Damit verbunden war 2020 ein auch sehr hoher Anteil an Inlandsurlaubern zu verzeichnen.

Stimme der Arge 2Rad

Trotz massiver Bemühungen der Arge 2Rad des Dachverbandes der österreichischen Zweiradimporteure und Zweiradindustrie und anderer Organisationen hat sich die Tiroler Landesregierung nicht umstimmen lassen und ist in dieser per se schwierigen Saison, die für das Land sowohl wirtschaftlich als auch imagemässig mehr als eine Herausforderung war und noch immer ist, diesen Weg gegangen, meint Karin Munk, Generalsekretärin der Arge 2Rad. Munk weiter: Die Ergebnisse dieser Evaluierung waren zu erwarten und überraschen mich nicht. In Tirol kommen die Motorradtouristen zu rund 70% aus Deutschland. Viele Gruppen haben zum Leidwesen der ansässigen Gewerbetreibenden z.T. auch aus Coronagründen - storniert, sind also, obwohl vielleicht nur 1 Motorrad über 95dB hatte, gar nicht gekommen,. Dass die verringerte Frequenz natürlich auch zu einer Reduktion der Lärmemissionen führt, liegt auf der Hand, hat aber nichts mit dem eingetragenen Nahfeldpegel per se zu tun. Nach EU Richtlinien legale Motorräder werden bestraft, illegale, getunte Motorräder kommen ungeschoren davon. Allerdings sind es genau diese, die das subjektive Lärmempfinden definieren.

Das Ziel der Arge 2Rad wird es weiterhin sein, allen legalen Motorrädern den Zugang zu allen Strassenzügen zu ermöglichen, den ansässigen Gewerbetreibenden eine sichere Zukunft zu gewährleisten, unter Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Anrainer. Dafür bedarf es einer Bewusstseinsbildung einzelner Motorradfahrer und der massiven Kontrolle des Verbotes von illegalen Anbauten durch die Exekutive. Diese Grundlagen für eine nachhaltige Verringerung der Anrainerbelastung werden von der Arge 2Rad und Partnern durch Kampagnen und durch die enge Zusammenarbeit mit dem Innenministerium gewährleistet.

Autos objektiv lauter- Fahrverbot kommt dennoch nur für Motorräder mit über 95 dB Standgeräusch

Sowohl die Pandemie als auch die Verordnung per se werden von den Studienautoren Dr. Christoph Lechner und Dr. David Schnaiter als Hauptursachen identifiziert. Eine genaue Zuordnung ist nicht möglich. Wie auch schon in der ursprünglichen Studie von 2019, die im Vorfeld der ersten Fahrverbots-Verordnung von der Tiroler Landesregierung in Auftrag gegeben wurde, wird in der Evaluierung festgehalten, dass andere Verkehrsteilnehmer (etwa Autos mit Klappenauspuffanlagen oder LKW) real lauter als Motorräder sind, aber subjektiv Motorräder als lauter empfunden werden. Diese Ungleichbehandlung ist ebenfalls Teil des noch offenen Rechtsstreits, dessen letztinstanzliche Entscheidung durch den österreichischen Verfassungsgerichtshof (VfGH) noch ausständig ist.

Ausblick Motorrad Fahrverbot Saison 2021 und 2022

Die Verordnung soll ab nun jährlich wiederkehrend im Zeitraum 15. April bis 31. Oktober gelten, allerdings dürfte Ende der Saison 2021 eine weitere Evaluierung erfolgen. Es bleiben also zwei Hoffnungen: Erstens wird das angesprochene Verfahren vorm VfGH im Laufe des Jahres entschieden werden, was im besten Fall dazu führen würde, dass die gesamte Verordnung aufgehoben wird und zweitens bleibt zu hoffen, dass die Evaluierung 2021 ohne allzu starke Verzerrungen durch die Corona-Pandemie und eventuell schon unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Entscheidung erfolgt. Wir bleiben jedenfalls dran!

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Bericht vom 18.03.2021 | 108.405 Aufrufe

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