Triumph Tiger 900 Rally Pro Intensivtest - 1.500 km On- & Offroad
Von der Autobahn bis zum verschlammten Holzweg
Die Mission: Slowenien von Nordost nach Südwest auf den kleinstmöglichen Wegen durchqueren. Das Wetter: Waschel-nass. Das Motorrad: Gefordert. Wie gut schlägt sich die neue Triumph Tiger 900 Rally Pro auf hunderten schlammigen bis steinigen Kilometern?

Die Tiger 900 Rally Pro von Triumph ist in der 1000PS Redaktion hoch angesehen. In der Vergangenheit gewann sie sogar einige Reiseenduro Vergleiche, weshalb sie bei internen Diskussionen teilweise als "beste Reiseenduro um die 100PS-Marke" genannt wird. 2024 gab es eine Überarbeitung der Triumph Tiger 900 Rally Pro, was uns Grund genug gibt, ihre Abenteuertauglichkeit erneut in Frage zu stellen und sie auf eine ca. 1.500 km lange On- Offroad Tour mitzunehmen. Auf einer selbst gesteckten, uns aber unbekannten Strecke und teilweise am TET soll es quer durch Slowenien auf den möglichst kleinsten Pfaden und Wegen gehen. Dank ausgiebiger Regenfälle in den Wochen zuvor und einer weiterhin feucht-fröhlichen Wetterprognose, ist eine Schlammschlacht im losen Gelände garantiert.
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2024er Update der Triumph Tiger 900 Rally Pro
Alle Details zum neuesten Upgrade der Triumph Tiger 900 Rally Pro gibt es hier im zugehörigen Bericht, doch kurz zusammengefasst, wurde hier Hand angelegt: Der 888 cm³ T-Plane Reihen-Dreizylindermotor wurde zusammen mit der Auspuffanlage überarbeitet und leistet nun maximal 108 PS bei 9.500 U/min und 90 Nm bei 6.850 Touren. Des Weiteren soll der Verbrauch nun 9% niedriger liegen. Der Sattel wurde überarbeitet, die LED-Blinker leuchten nun dauerhaft, im Cockpit findet man einen USB-C Anschluss und wenig darunter einen Lenkungsdämpfer. Zu guter Letzt besitzt die Tiger 900 Rally Pro nun eine Teilintegralbremse an der Front, es wird also bei Betätigung der Vorderradbremse auch hinten verzögert.

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Triumph Tiger 900 Rally Pro im Test - Anreise auf der Autobahn
Trotz dieser Veränderungen, ist der grundlegende Charakter der Tiger 900 Rally Pro erhalten geblieben. Ihr Dreizylinder bietet eine herrliche Mischung aus Drehfreudigkeit und Durchzug, das Chassis ist stabil, präzise und die Showa Federelemente sprechen sehr fein an. Da man sich in Österreich als Endurist schnell zum Staatsfeind Nummer 1 macht, werden die Kilometer bis zur slowenischen Grenze auf dem Asphalt abgespult. Auf den Landstrassen der buckligen Welt und der Autobahn brilliert die Tiger 900 Rally Pro mit gutem Windschutz und zahlreichen Komfort-Features, die die Anreise im Sattel leicht machen, selbst mit den von uns aufgezogenen, ernsten Stollenreifen.

Mitas Enduro Trail XT+ Dakar Offroad-Reifen für Mischtouren mit Reiseenduros
Mitas Enduro Trail XT+ Dakar Reifen geben durch die tiefen Stollen sofort zu verstehen, für welchen Einsatzzweck sie gedacht sind. Dennoch handelt es sich dabei auch um explizite Reiseenduro-Reifen, die durchaus für den gemischten Einsatz gedacht sind. Wir hatten mit dem Vorgänger des Reifen, dem Mitas E-09, schon auf der Seeker Raid Rallye in Bosnien das Vergnügen und so hatte ich prinzipiell recht viel Vertrauen in die Tauglichkeit des Reifens. Mir war aber auch bewusst, dass diese Reise die Reifen mehr ans Limit bringen könnte, als es damals in Bosnien je möglich gewesen wäre. Wenn du mehr Eindrücke zu diesem potenten 20/80-Reifen erfahren möchtest, findest du alle Details im Mitas Enduro Trail XT+ Dakar Testbericht.

Triumph Tiger 900 Rally Pro im leichten Gelände - Schotterstrassen Test
Die unbefestigten Wege beginnen direkt hinter der Grenze, unsere Enduristen-Herzen blühen auf und endlich können wir es etwas stauben lassen. Wobei es nach wochenlangen Regenfällen nicht wirklich staubt, aber das stört uns nicht gross. Wir bewegen uns entlang der österreichisch-slowenischen Grenze und dann südlich durch den dünn besiedelten Osten Sloweniens. Die Landschaft besteht grossteils aus waldigen Hügeln und Mittelgebirge, die von zahlreichen Schotterstrassen und Forstwegen durchzogen werden. Auf diesen breiteren Wegen fliessen die Kilometer nur so dahin, auch weil die Tiger mit ihrer angenehmen, touristischen Stehposition die Fahrt im Stand einfach macht. Gleichzeitig bleibt durch die schmale Taille, den gut geformten Tank und den breiten Lenker genug Platz und Raum im Sattel der Tiger, um auch etwas aktiver zu werden.

Denn während die Schotterwege am Hügelrücken zum entspannten Landschaftsgenuss einladen, winden sie sich davor und danach in spassigen Kurven hinauf und hinab. Schaaf und ich werfen uns auf der Tiger und der mitfahrenden Royal Enfield Himalayan mit breitem Grinser in die geschotterten Radien. Das Showa Fahrwerk ist brilliant, denn einerseits dämpft es die kleinen Schläge dermassen sauber, dass man sie als Fahrer gar nicht bemerkt, ist gleichzeitig aber ausreichend gedämpft, um stärkere Unebenheiten zu schlucken und die Tiger stabil über die Buckelpiste zu tragen. Diese Stabilität, trotz langer Federwege von 240 und 230 Millimetern vorne und hinten, braucht es auch, um Vertrauen zu schöpfen und sich zu Spielereien verleiten zu lassen. Etwas Schwung holen, schräg in die Kurve und mit Gas das Heck kommen lassen - Das gelingt einerseits gut, braucht andererseits aber etwas Gefühl am Gasgriff. Denn trotz der an und für sich seidigen Gasannahme der Tiger, sind 90 Nm Drehmoment doch recht viel Power für losen Untergrund. Die mehrfach einstellbare Traktionskontrolle ist für meinen Geschmack etwas zu konservativ, für Drift-Versuche muss sie aber sowieso deaktiviert werden, weswegen wir fast ausschliesslich mit ausgeschalteter Traktionskontrolle unterwegs sind. Im entschleunigten Betrieb wird die Leistung präzise dosiert und so bleibt auch in sehr rutschigen Bedingungen das Heck unter Kontrolle. Wenn man sich aber spielt, dann heisst es Obacht, denn das Hinterrad bricht sehr schnell aus. Kein Problem für Könner, doch bei unbedarften Driftversuchen muss man sich auf schnelle Korrekturmassnahmen einstellen. Dies ist dank der schon angesprochen Ergonomie und des stabilen Fahrwerks aber keine grosse Herausforderung.
Masse kompakt halten - Reiseenduro-Gewichtsoptimierung mit Enduristan Softgepäck
Diese breiten Schotterwege und spassigen, doch eher anspruchslosen Forststrassen waren der Grossteil, aber nicht das Highlight unserer Route. Der slowenische TET ist dafür bekannt, unter feuchten Bedingungen recht knackig zu werden. Auch unsere selbst gesteckte Strecke bog öfters von den breiteren Pfaden ab und führte uns über Holzwege, einige Wanderwege und sogar Single-Trails. Hier macht sich bemerkbar, dass die Tiger 900 Rally Pro doch ein recht grosses Motorrad ist. 229 kg wog sie vollgetankt ohne Gepäck und Fahrer auf unserer 1000PS-Viehwaage. Um unsere Erfolgschancen auf anspruchsvolleren Passagen zu erhöhen, mussten wir unsere Maschinen auch gewichtstechnisch optimieren. Statt voluminösen und schweren Gepäcksystemen, haben wir uns für Enduristan Softgepäck entschieden, konkret die Blizzard und Monsoon Seitentaschen und Tornado Heckrollen. So wird bei korrekter Packweise die Masse des Gepäcks möglichst nah und kompakt um das Motorrad angeordnet, was bei seitlichen Schlägen und Low-Speed-Manövern im Gelände einen grossen Unterschied macht. Da wir aber zusätzlich noch sensitives Film-Equipment mitnehmen mussten, war extra Raffiniertheit gefragt. Die Lösung brachten die Organizer und Digital Nomad Taschen von Enduristan, die es uns erlaubt haben, Kamera, Laptop und Co. sicher und richtig verteilt zu verstauen. Mehr dazu erfährst du hier.

Triumph Tiger 900 Rally Pro 2024 Test im mittelschweren Offroad Gelände
Bei Offroad-Touren, bzw. ganz besonders bei der Beschreibung dieser, muss man vorsichtig sein. Denn Offroad ist nicht gleich Offroad. Hardenduro Piloten nehmen den Begriff erst bei Steilhängen oder Bachläufen in den Mund, für passionierte Strassen-Tourenfahrer schreit schon die Schotterautobahn nach Abenteuer. In Ermangelung von Hillclimbs und mit kaum querfeldein-Action, kann man das von uns befahrene Gelände nicht wirklich als schwer bezeichnen. Mit den bepackten Maschinen und nassen Bedingungen waren aber auch die schlammigen Holzwege, Wanderwege voller glitschiger Wurzeln und Auffahrten mit kahlen, rutschigen Steinen für uns Hobby-Abenteurer anspruchsvoll genug.

Die grösste Herausforderung war das Fehlen von verlässlichem Grip. Selbst leichte Steigungen können zum Kampf werden, wenn man die Fahrlinie nicht perfekt trifft, in die schlechte, schlammige Spur rutscht, das Momentum verliert und dann mit zugeklebten Reifen nicht mehr vom Fleck kommt. Der Mitas Enduro Trail XT+ Dakar, extra auf 1,6 Bar vorne und 2 Bar hinten abgesenkt, funktioniert zwar gut unter diesen Bedingungen, kann aber bei teils sehr lehmigen Bögen und zu langsamen Fahrtempo auch nicht zaubern. Wie der Reifen, marschiert auch die Tiger souverän über Stock und Stein, solange sie einen gewissen Schwung aufrecht erhält. Die Probleme beginnen, wenn man ins Straucheln kommt, was unter den Bedingungen schnell der Fall ist, ausser man heisst Pol Tarres. Mit ihrer Sitzhöhe von 850 bis 870 mm liegt die Tiger 900 Rally Pro im Mittelfeld der Reiseenduros. Durch den recht hoch angebrachten 20 Liter Tank ist sie aber etwas kopflastig, was sie unter langsamen Geschwindigkeiten kippelig macht. Nur etwas Mut gefasst und mit fein dosierter Gashand beschwingt die Auffahrt durchgezogen und schon fühlt sich die Tiger sichtlich wohler. Wie bei fast allen grossen Reiseenduros, braucht es ein gewisses Mass an Offroad-Fahrkönnen, um souverän weiterzukommen.

Mitunter deswegen ist mir die teilintegrale Bremserei ein Dorn im Auge. Die Brems-Hardware an sich ist sehr potent. Die Brembo-Bremsanlagen bieten klare Druckpunkte, beissen am Asphalt fest genug für stärkere Verzögerungen zu, lassen sich gleichzeitig am losen Untergrund mit etwas Gefühl am Hebel fein dosieren. Das braucht es auch, um ohne ausbrechendes Heck oder einknickende Vorderräder die rutschigen Abfahrten zu meistern. Hier kommt wieder die Offroad-Erfahrung ins Spiel. Gerade auf unbefestigten, teils im Sekundentakt wechselnden Fahrbahnoberflächen möchte ich zu 100% die Kontrolle haben, um präzise und aktiv auf das Verhalten der Räder reagieren zu können. Das Hinterrad rollt über einen feuchten Stein, rutscht zur Seite und versetzt so das Heck? Schnell die Hinterradbremse lösen. Gleichzeitig wird vorne der Bremsdruck aufrechterhalten, oder ich muss mal vorne öffnen und hinten schliessen. Hier ist es kontraproduktiv, wenn beim Anlegen der Vorderradbremse auch hinten mitgebremst wird. Nach etwas Recherche und Herumprobieren scheint es auch nicht so, als könnte man die Teilintegralbremse im Offroad Pro Modus deaktivieren. Das wird vermutlich 90 % der Tiger-Fahrer nicht stören, da es sonst den Bremsweg verkürzt und dadurch mehr Sicherheit bietet, doch unter den speziellen, rutschigen Bedingungen unserer Reise, hätte ich auf das Feature verzichten können.
Schwächen und Stärken der Triumph Tiger 900 Rally Pro 2024
Auf unserer abwechslungsreichen Tour fühle ich mich in Summe sehr wohl auf der Tiger 900 Rally Pro. Ihre grössten Stärken sind der im gleichen Masse zugängliche, doch sportliche Motor, das super arbeitende Fahrwerk und die für meine 1,85 m Körpergrösse perfekt passende Ergonomie mit viel Bewegungsspielraum. Auch der Rest der Komponenten, Elektronik und Features lassen wenig zu wünschen übrig, weshalb die paar kleinen Schwächen, die sich die Tiger 900 Rally Pro leistet, umso mehr auffallen. Die mir unsympatische Teilintegralbremse habe ich schon erwähnt und lasse ich deshalb aus, aber die stockende Darstellung im TFT-Display gehört erwähnt. Die instabile Framerate ist sowohl der Preisklasse als auch der sonstigen Qualität der Tiger unwürdig, hat aber keinen Einfluss auf die Fahrerei. Das gilt auch begrenzt für den zweiten Kritikpunkt, das miserable Bordwerkzeug. Als Enduro-Abenteurer sollte man für kleinere technische Gebrechen vorbereitet sein und das original Bordwerkzeug ist hierbei keine Hilfe, da man mit den paar Inbus und Schraubenziehern nur sehr wenig anfangen kann. Auch der Zugang zum Luftfilter ist etwas mühsam, da man 10 Schrauben und zwei Seitenverkleidungsteile entfernen muss. Aber sowohl Bordwerkzeug als auch Luftfilterzugang fällt bei so manch anderer Reiseenduro leider noch schlimmer aus. Die Zeit, als Reiseenduros schrauberfreundlich gebaut und ausgestattet wurden, ist leider Geschichte. Davon abgesehen, macht die Tiger 900 Rally Pro aber kaum was falsch.

Preise & Fazit zum Reise-Test der Triumph Tiger 900 Rally Pro 2024
In Österreich ist die Triumph Tiger 900 Rally Pro ab 18.295 € zu haben, in Deutschland ab 16.395 €. Alle aktuellen Preise der Triumph Tiger 900 Rally Pro 2024 für Österreich, Deutschland und die Schweiz gibt es hier. Für diese Summe bekommt man ein sehr gut austariertes Reisemotorrad, dem es gelingt die Balance zwischen Reisekomfort und Fahrspass nahezu perfekt zu halten und das auf und abseits der befestigten Wege. Der Dreizylinder ist ihr Alleinstellungsmerkmal, das stabile, vertrauenserweckende Chassis darum herum der grösste Freudenspender im Fahrbetrieb. Es gibt nur wenige grosse Reiseenduros am Markt, mit denen wir unsere Schlammtour noch souveräner hätten bewältigen können, ohne starke Einbussen beim Fahrkomfort hinnehmen zu müssen. Wer sich für Reiseenduros um die 100PS interessiert, sollte unbedingt eine Probefahrt mit der Triumph Tiger 900 Rally Pro machen.
Fazit: Triumph Tiger 900 Rally Pro 2024
Die Triumph Tiger 900 Rally Pro beeindruckt mit einer Kombination aus Kraft, Komfort und praktischer Ausstattung, die sie sowohl für Solo-Abenteuer als auch für anspruchsvolle Familienausflüge ideal macht. Der 3-Zylinder-Motor besticht durch seine Linearität und das sanfte Ansprechverhalten, während die umfangreiche Fahrwerkstechnik mit grossem Federweg und hochwertigen Bremssystemen hervorragende Stabilität und Sicherheit auf verschiedenen Untergründen bietet. Obwohl sie hervorragend für die Strasse ausgestattet ist, zeigt sie auch im Gelände eine solide Grundstabilität, unterstützt von einem komfortablen Lenker und einer ergonomischen Sitzposition, die lange Fahrten erleichtert.- Top dimensionierte Motorleistung
- Linearität und Dosierbarkeit der Leistung
- Kraftvoll beim Überholen
- Flüssige Schaltvorgänge durch Schaltassistent
- Hohe Fahrstabilität auch auf anspruchsvollen Strecken
- Präzises Fahrwerk mit grossem Federweg
- Hochwertig integrierte Bremsen und ABS
- Praktische Navigation und Smartphone-Kopplung
- Angenehme Ergonomie im Sitzen und Stehen
- Hoher Sitzkomfort für lange Fahrten
- Motorschutz und untere Crash-Bars serienmässig
- Sehr sanfte Gasannahme
- Guter Kompromiss zwischen Laufruhe und Sportlichkeit
- Neutrale Balance verwandelt sich in träges Handling bei hoher Beladung
- Handy-Integration ist "gut" aber es gibt keine Kartenintegration ins Display und die derzeitige Lösung hat immer noch Verbesserungspotential
- Teilintegralbremse stört bei knackigeren Offroad-Abfahrten
- Offroad-ABS nur für die Front verfügbar, hinten wird das ABS deaktiviert
Bericht vom 30.06.2024 | 15.805 Aufrufe