Gas Gas ES 700 vs. Yamaha Tenere 700 Vergleichstest
Dual Sport versus Reiseenduro - Welches Konzept bietet mehr?
Aus dem Offroad-affinen Teil der Motorrad-Community hört man seit Jahren die gleiche Beschwerde: Moderne Reiseenduros sind zu gross und schwer für ambitioniertes Gelände. Viele wünschen sich eine reisetaugliche Enduro mit deutlich unter 200 kg. Kann vielleicht die Gas Gas ES 700 diesen Wunsch erfüllen? Oder schafft doch die beliebte Yamaha Tenere den Spagat zwischen Reisetauglichkeit und Offroad-Performance besser?

Um die Unterschiede zwischen den vielseitigen Motorrad-Segmenten Dual-Sport-Bike und Reiseenduro herauszufinden, braucht es eine nicht minder vielseitige und abwechslungsreiche Testroute. Ab in den Süden Sloweniens! Rund um den slowenischen Schneeberg liegt ein grosses Waldgebiet mit kaum menschlicher Besiedelung. Abgesehen von den ca. 600 Bären stört sich hier niemand an ein paar Endurofahrern, vorausgesetzt man benimmt sich rücksichtsvoll, wie es beim Endurofahren immer der Fall sein sollte. Wir wollen diese slowenische Wildnis in Angriff nehmen, uns über alte Militärstrassen und so manch knackige Auf- oder Abfahrt kämpfen und auf hauptsächlich unbefestigten Strassen den Weg südwärts bis in die Kvarner Bucht an der kroatischen Küste finden. Dafür haben wir meinen Vater als Guide engagiert, denn seit er in den 80ern in diesen Wäldern meine Mutter kennengelernt hat, ist er mit seiner KTM EXC hier im südslowenischen Gemüse zuhause und kennt die Gegend wie seine Westentasche. Mal sehen, was uns die nächsten zwei Tage erwartet.
Technischer Vergleich der Gas Gas ES 700 & Yamaha Tenere 700
Bevor ich aber zu unseren Erlebnissen mit der Gas Gas und Tenere komme, muss ich kurz ein Wort zu den technischen Unterschieden verlieren. Die Leistung der beiden ist fast ident, mit 73 PS bei der Yamaha und 74,7 PS bei er Gas Gas. Bei der einen kommen die Pferdchen aus dem 689 ccm Reihen-Zweizylinder mit Hubzapfenversatz, bei der anderen aus dem 692 ccm Einzylinder. Diese Leistung muss auf der Dual Sport im vollgetankten Zustand nur 160 kg bewegen, auf der Reiseenduro sind es über 50 kg mehr. Dieser Vergleichstest soll nicht nur die beiden Bikes vergleichen, sondern auch die Vor- und Nachteile der jeweiligen Motorrad-Segmente freilegen. Wie viel leichter tut man sich im groben Gelände mit einer Dual-Sport, als mit einer leichten Reiseenduro? Hat die Reiseenduro grosse Vorteile auf Asphalt-Etappen? Die Gas Gas ES 700 und Yamaha Tenere 700 sind als Vertreter ihrer Segmente zu verstehen. Da es sich bei der Japanerin auch um meine private Maschine handelt, ist sie nicht mehr serienmässig. Sie war früher unser Yamaha Tenere 700 TuneUp und hat dabei Quickshifter, Öhlins-Fahrwerk und mehr bekommen. Sie ist mit ca. 215 kg auch etwas schwerer als die Serien-Tenere und besitzt als 2020er Baujahr noch kein TFT-Display und 3-stufiges ABS. Motor, Chassis und Ergonomie haben sich bei der Puristin aber seit ihrem ersten Modelljahr nicht verändert, also sollten die hier gewonnen Eindrücke auch bei aktuellen Teneres gelten.
Abgesehen vom Motor, dem Gewicht und der Ergonomie, auf die ich noch ausgiebig zu sprechen komme, liegt der grösste Unterschied zwischen Gas Gas und Tenere beim Federweg und der Elektronik. Mit 250 mm hat die ES 700 deutlich mehr Reserven als die Tenere. Und paradoxerweise besitzt sie auch mehr elektronische Systeme und Helferlein als die Reiseenduro. Sogar zwei Fahrmodi, eine schräglagenabhängige Traktionskontrolle und Kurven-ABS sind mit an Bord. Wie gut das im gemischten Einsatz funktioniert, dazu kommen wir jetzt. Eine genaue technische Gegenüberstellung und alle Daten auf einen Blick findet ihr hier im Motorrad-Vergleich der Gas Gas ES 700 vs. Yamaha Tenere 700.
50 kg leichter = überlegen im Offroad-Betrieb? - Offroad-Vergleich der Gas Gas ES 700 & Yamaha Tenere 700
Im karstigen Süden Sloweniens ist der Untergrund meist steinig, teils sehr grob, oder in waldigen Gebieten erdig. Die Reifenwahl hat einen grossen Einfluss darauf, wie gut man dieses Terrain befahren kann. Um für eine vergleichbare Basis zu sorgen, haben wir uns an die Serienbereifung der Gas Gas angepasst und auch der Tenere Conti TKC 80 aufgezogen. Der verlässliche Reifen ist mittlerweile seit über 30 Jahren auf dem Markt und hat seinen Wert im Mischgebrauch schon oft bewiesen.
Wir starten unsere Tour quasi mitten in der Wildnis. Von Ilirska Bistrica aus geht es in Richtung Schneeberg und dann im Bogen zur Küste und zurück zur Zivilisation. In diesem ersten, wildesten Abschnitt der Strecke dauert es nicht lange und wir kämpfen uns schon steile Forststrassen hoch. Starke Regenfälle haben tiefe Rillen in den Weg gefressen, lose Steine und tieferer Schotter sind grosszügig verteilt. Kein Drama, aber die Fahrlinie will weise gewählt werden. Hier zeigt sich das erste Mal der Vorteil beim Gewicht. Auf der Gas Gas braucht es wesentlich weniger Input, um Kurskorrekturen durchzuführen. Auch bietet sie zum Lenker hin durch den hinter dem Sitz liegenden Tank mehr Platz, was bei steileren bergauf-Passagen nützlich ist. Der Lenker liegt auch sehr tief, fast wie bei einer Sportenduro, es lässt sich also immer die richtige Position mit lockerem Griff am Lenker einnehmen. Die Tenere fühlt sich im losen Gelände auch sehr wohl, aber ihr Gewicht kann sie nicht wegzaubern. Um all die losen Brocken und ausgewaschenen Stellen zu umschiffen, braucht es auf ihr mehr Druck über die Fussrasten und den breiten Lenker. Der liegt deutlich höher, wodurch es bei steilen Passagen gemeinsam mit dem aufragenden Tank nach vorne hin schon etwas knapp werden kann. Für eine Reiseenduro zwar noch immer sehr gut, aber im Vergleich zur schmalen Gas Gas muss man schon mehr am Lenker klammern und hat deutlich weniger Bewegungsfreiheit.

Dafür zeigt auch im steilen Gelände der viel gelobte CP2-Motor der Yamaha seine Stärken. Der Einzylinder der Gas Gas bringt das deutlich geringere Gewicht zwar spritziger auf Tempo, braucht aber überraschend viel Drehzahl für einen Eintopf. Das liegt vor allem an den strengen Abgasnormen und den dadurch notwendigen Veränderungen am Motor. KTM und Husqvarna Modelle mit dem 700er Einzylinder von vor ein paar Jahren hatten noch mehr Druck aus den niedrigen Drehzahlen. Der Reihentwin der Tenere brilliert genau in dieser Disziplin und hat gefühlt endlos Drehmoment aus dem Drehzahlkeller. Das kommt genau recht für ungeübte bis durchschnittliche Piloten. Es braucht keine grosse Kunststücke mit der Kupplung, kein brachiales Tempo oder wildes Drehen am Gasgriff, um das Momentum aufrecht zu erhalten und den Hang hochzutuckern. Selbst wenn die Drehzahl schon fast auf Standgasniveau abgefallen ist, der CP2 schiebt und schiebt, bollert unbeirrt wie ein Traktor weiter und macht dem Fahrer das Leben so leicht wie möglich. Selbst wenn man die Fahrlinie nicht perfekt trifft, das Vorderrad durch einen losen Stein verschlagen wird und der Schwung beinahe verloren geht, das CP2-Wunderaggregat holt mich aus der Patsche. Auf den anspruchsvollen Stücken inmitten der slowenischen Hügel sende ich mehrfach Danksagungen an die Ingenieure von Yamaha.
Abfahrtswertung - Offroad-Test der Gas Gas ES 700 & Yamaha Tenere 700
Wenn es hoch geht, geht es irgendwann auch wieder runter. Wir nähern uns langsam aber beständig der kroatischen Küste. Eben haben wir noch eine Hügelkuppe erklommen und bereits die in der Ferne blau glitzernde Kvarner Bucht erspäht, als wir uns in Richtung der grünen Grenze zwischen Kroatien und Slowenien wenden. Jetzt geht es viel bergab, teilweise auch wieder mit groben Wegstücken. Bei den langen Passagen bergab wird die bei der Auffahrt noch vorteilhafte Stehposition auf der Gas Gas ziemlich anstrengend. Der Lenker liegt dermassen tief, dass man ab einem gewissen Gefälle schon sehr gebückt auf ihr steht. Der Knieschluss und die Positionierung der Beine bleibt optimal, doch Arme und Oberkörper strecken sich weit nach unten zum Lenker und der Kopf liegt unangenehm im Nacken. Im direkten Vergleich steht man auf der Reiseenduro deutlich bequemer und entspannter. Nach 20 Minuten verlangen meine Rücken- und Nackenmuskeln auf der Gas Gas nach einer Pause, während ich auf der Tenere noch länger locker dahincruisen kann. Aber zugegebenermassen, mein katastrophales Level an Fitness verstärkt diesen Effekt noch zusätzlich.
Auch noch wichtig bei Abfahrten: Die Bremserei. Beide Motorräder setzen auf Einzelscheiben und Zweikolbenbremssättel vorne und bieten abschaltbare ABS-Systeme. Kollege Schaaf, der neben der Kamera auch das zweite Motorrad fährt, ist begeistert vom fein regelnden Offroad-ABS der ES 700. Zwischen dem für die Strasse konzipierten Kurven-ABS und komplett ausgeschaltetem Antiblockiersystem bietet die Gas Gas auch einen Modus, wo das Hinterrad blockieren kann, vorne aber verzögert und für lose Untergründe optimiert geregelt wird.

"Ich war mir anfangs unsicher, ob das Offroad-ABS überhaupt aktiviert ist, bis ich ein kleines Pulsieren am Hebel spürte. Und obwohl das feine Dosieren der Bremse ein extrem wichtiger Offroad-Skill ist, bietet die Gas Gas auch den Luxus, dass man als Fahrer sagen kann "Jesus take the wheel". Selbst im schwierigsten Gelände kann man unbedarft in die Zangen greifen und das feine ABS bringt dich dennoch sicher den Hang runter."
Dauerhaft möchten wir uns das Leben zwar auch nicht so leicht machen, doch gerade nach einem langen Tag im Sattel kommen solche Features als kurzfristige Erleichterung recht. Auch die aktuelle 2023er Tenere hat so einen hybriden ABS-Modus mit an Bord. Abseits der elektronischen Assistenzsysteme performen die Bremsen beider Bikes sehr ähnlich. Der Initialbiss fällt eher behutsam und weich aus, erst beim festeren Zupacken tritt eine stärkere Verzögerung ein. Doch im losen Gelände gehen wir sowieso sanft ans Werk.
Unmöglich aufzuheben? - Stürzen mit der Dual Sport versus Aufheben der Reiseenduro
Wo gehobelt wird, da fallen auch Späne. Das gilt im losen Gelände doppelt. Wie bei jeder anständigen Offroad-Tour, haben auch diesmal die Bikes Bodenkontakt. Die Gas Gas kippt mir einmal bei einem sehr tollpatschig angefahrenen Wendemanöver im Stand um, mit der Tenere habe ich sogar einen übleren Abflug bei einer steileren Abfahrt. Zum Glück sind beide Motorräder hart im nehmen und auch ich bleibe heil. Zu Boden gingen sie teilweise sehr schnell (siehe das unten verlinkte Video), aber hoch bekommt man vor allem die Tenere nicht so flott. Durch ihre schmale Form und kopflastige Gewichtsverteilung fällt sie sehr flach, was das Aufstellen schon herausfordernd machen kann. Aber auch beim Aufheben des Motorrads gibt es die richtige Technik und so kann selbst ich 75 kg-Lauch die Yamse hochhieven. Vermutlich aber nur dreimal an einem Tag, dann ist die Puste raus. Mit der deutlich leichteren Gas Gas sind mehr Hoppalas möglich.
Fahrwerke im Vergleich - Gas Gas ES 700 versus Yamaha Tenere 700
Wir verlassen das schroffe Mittelgebirge rund um den Schneeberg und überqueren auf einer kleinen Schotterstrasse die Grenze. Die Hügel werden flacher und die Wege entspannter. Wir nehmen Tempo auf und können nach den Strapazen ein bisschen frischen Fahrtwind geniessen. Breitere Schotterstrassen, wellige Feldwege und ein paar feste Steinböden machen diesen teil der Strecke aus. Wir kämpfen nicht mehr ums Überleben und können nun in das Fahrwerk hineinfühlen. Das in meiner Tenere verbaute Cartridge Kit und STX 46 Federbein von Öhlins ist ein grosses Upgrade im Vergleich zum Standard Fahrwerk der T7 und bügelt Bodenwellen bei sämtlichen Geschwindigkeiten fein weg, ohne sich unpräzise oder schwammig anzufühlen. Das Serien-Fahrwerk ist weicher und kommt bei härterer Gangart schneller ans Limit, wäre für mein Fahrkönnen aber eigentlich auch mehr als ausreichend. Offroad gilt mehr denn je, dass der Fahrer und nicht die Fahrzeuge die Grenzen ziehen.

Das WP XPLOR Fahrwerk der Gas Gas ist voll einstellbar und spürbar für den sportlichen Einsatz konzipiert. In Kombination mit den langen Federwegen bedeutet das, dass die ES 700 bei flottem Tempo sehr stabil und souverän über Unebenheiten ballert. Doch gleichzeitig fühlt sich das knackig abgestimmte Fahrwerk etwas "hölzern" an. Es gibt nicht das allerbeste Feedback zum Grip des Vorderrads und bei langsameren Geschwindigkeiten neigt die Front dazu etwas harsch über die Hindernisse zu rumpeln. Auch eine Anpassung der Dämpfung und Zugstufe verbessern das Ansprechverhalten kaum. Hier wäre ein grösserer Einstellbereich wünschenswert. Aufgrund des schwer lesbaren Grips neigt die Front in Schotterkurven auch mal zum unvermittelten Einknicken. Das kann auch an Fahrfehlern unsererseits liegen, doch später wird mir bei der Bosnia Rally 2023 dieses Problem auch von Besitzern der ES 700 und 701er Enduro von Husqvarna geschildert. Deren Lösung: Das Hardenduro-Fahrwerk der KTM EXC-Modelle einbauen.
Dual Sport versus Adventure Bike auf der Landstrasse - Offroad-Vergleich der Gas Gas ES 700 & Yamaha Tenere 700
Unsere Tour besteht nicht nur aus Schotterpassagen und Feldwegen unterschiedlichster Güte, auch ein paar kurvige Asphaltstrassen liegen am Weg. Hier kann das Fahrwerk der Gas Gas seine grösste Stärke, die Stabilität, voll ausspielen. Es ist echt grandios, wie gut es mit modernen Reifen und "Offroad-Fahrzeugen" heutzutage möglich ist, aus dem Groben ins Winkelwerk abzubiegen und dort direkt richtig flott durch die Radien zu ziehen. Im 1er Modus regeln die Systeme auf der ES 700 schräglagenabhängig und so lässt sich Schaaf ungehemmt in die Kurven. Quirlig und gleichzeitig vibrationsarm dreht der Einzylinder hoch, perfekt ergänzt durch den sehr schnell und knackig schaltenden Quickshifter. Die flache Sitzbank bietet viel Platz, sodass man sich auch im Sitzen mit der Körperhaltung spielen und bei Bedarf in Angriffsposition gehen kann. Auf der Tenere sitzt man deutlich entspannter, doch auch der bollernde CP2 schafft es ein breites Grinsen unter den Helm zu zaubern. Hier im Winkelwerk schenken sich die zwei Bikes eigentlich nichts. Die Gas Gas ist etwas leichter umzulegen, die Tenere dafür im Motorlauf souveräner, aber das sind minimale Details. In der Bremszone braucht es aufgrund des schwachen Initialbisses der Offroad-Bremserei etwas Voraussicht. Auf der Tenere hilft es die Hinterradbremse aktiv mitzuverwenden.
Langstreckentauglichkeit - Dual Sport vs. Adventure Bike
Als wir immer mehr Wanderer, Spaziergänger und Freizeitsportler auf unseren Schotterwegen antreffen, wissen wir, dass wir uns der dicht besiedelten Küste nähern. Angekommen in der malerischen Kvarner Bucht feiern wir uns für die bestandenen Offroad-Abenteuer und die gute Performance von Tenere und Gas Gas. Nach einer Stärkung sind wir bereit für die Rückfahrt, diesmal ganz unspektakulär auf der Autobahn. Denn die Autobahntauglichkeit, die Möglichkeit auf der eigenen Maschine einigermassen komfortabel von weit her an- oder abzureisen, ist schliesslich einer der Hauptgründe, warum dann schlussendlich doch viele zu Reiseenduros greifen. Doch auf wie viel Komfort muss man mit der Gas Gas verzichten?
Wie sich herausstellt: Grundsätzlich auf wenig! Klar, Windschutz und grosse Komfort-Features sucht man auf der Gas Gas vergeblich. Mit der Tenere hat sie hier aber eine Konkurrentin auf Augenhöhe, da auch sie serienmässig ohne Tempomat, Heizgriffe und Co. vom Band rollt und man sich für solchen Luxus auch bei ihr im Zubehör bedienen muss. Beim Tempomaten hätte theoretisch sogar die Gas Gas mit ihrer elektronischen Gasannahme den Vorteil im Vergleich zum Gas per Seilzug auf der Tenere, doch Gas Gas bzw. KTM bietet hier keinen Tempomaten an. Auch ohne Zusatzausstattung sind wir aber begeistert von der Stabilität und Souveränität, die die ES 700 auf der Autobahn an den Tag legt. Selbst bei höheren Geschwindigkeiten kommt keine Unruhe auf, es entsteht kein kein Pendeln und kein Wackeln. Das sportliche Fahrwerk arbeitet auch hier fein.

"Kein Windschutz ist besser als schlechter Windschutz.", meint Kollege Schaaf. Als eingefleischter Naked Bike Tourer ist er es gewöhnt voll im Wind zu sitzen. Dank der langgestreckten Sitzbank der Gas Gas bietet sie genug Platz, um auf der Autobahn nach hinten zu rutschen und dann den Oberkörper nach vorne in den Wind zu lehnen. Dadurch ruht man auf einem Luftpolster, die Arme liegen ohne jeglichen Druck am Lenker und man sitzt selbst bei 140 km/h ganz entspannt und unangestrengt auf dem Dual Sport Bike. Sein Fazit nach der Autobahn-Etappe: "Das hält man auch länger so aus." Nur die dünne Sitzbank fordert seine Leidensfähigkeit. Für Langstreckenetappen mit der Gas Gas sollte man hier nachrüsten.
Zur Langstreckentauglichkeit braucht es aber noch mehr. Der Verbrauch beider Motoren liegt bei ca. 5L/100km. Die Tenere kommt mit ihrem 16 Liter tank zwar weiter als das 13,5 Liter Fass der ES 700, ist selbst aber auch kein Langstreckenwunder, vor allem weil die sehr grosszügig eingestellte Reserve schon ab ca. 270 km Stress macht. Wie viel Reichweite man schlussendlich benötigt, hängt stark von den geplanten Touren ab. Aber Zusatztanks sind für beide Modelle in unterschiedlichen Dimensionen und Formen erhältlich. Das gleiche gilt auch für Gepäcklösungen und weiteres Zubehör. Da die 700er Einzylinder Bikes der KTM Group inzwischen von einigen Weltenbummlern und Abenteuern entdeckt und für die grosse Reise umgebaut wurden, gibt es richtig viele Lösungen für Navigation, Gepäck, Tankvergrösserung und Co.
Dual Sport oder Reiseenduro - Fazit zum Vergleich der Gas Gas ES 700 & Yamaha Tenere 700
Unsere Erwartungen bei diesem Vergleich wurden nicht erfüllt. Vor dem Start der Tour waren wir uns sicher, dass die Gas Gas auf den Offroad-Passagen klar die Nase vorn haben würde, während die Tenere auf der Strasse ihre Überlegenheit ausspielt. Aber beide Motorräder wildern sehr erfolgreich im Gebiet des anderen und so sind die Unterschiede zwischen einem modernen Dual Sport Bike und einer modernen Reiseenduro geringer und spezifischer als gedacht. Diese Nuancen und die eigenen Vorlieben machen es schlussendlich auch aus, welches Bike besser zu welchem Fahrer passt. Team Dual Sport oder Team Adventure Bike? Am Ende des Tages eine echt knappe Kiste. Für echten Mischbetrieb, mit gleichermassen Offroad-Passagen als auch längeren Strecken auf Asphalt, kann bei beiden Motorrädern noch nachgeschärft werden. Beide bieten aber auch eine grosse Vielseitigkeit ab Werk.
Wie viel es tatsächlich braucht, um aus der Gas Gas ES 700 die ultimative Abenteuer- und offroadtaugliche Reisemaschine zu machen, das probieren wir heuer mit einem eigenen TuneUp-Projekt aus. Bei der Bosnia Rally 2023 konnten wir die Gas Gas schon mit ihrem neuen Rally Turm ausprobieren. Mehr Inhalte dazu folgen.
Fazit: Yamaha Tenere 700 2023
Die Tenere 700 hat inzwischen ebenso leichte, aber besser ausgestattete Konkurrenz bekommen und ist durch die gleichzeitige Preiserhöhung nicht mehr die grosse Sensation, wie vor ein paar Jahren. Doch sobald das Motorrad ins Gelände abbiegt ist man im Sattel einfach begeistert. Das Motorrad ist hart im Nehmen und meistert auch anspruchsvolle Passagen sehr zuverlässig. Ein richtig gutes Abenteuermotorrad. Wer jedoch so tut als sei er ein Abenteurer und fährt eigentlich nur Asphalt der könnte sich das Leben mit einem anderen Motorrad leichter machen.- sehr robuster und zuverlässiger Auftritt
- sportliche und schlanke Optik
- spielerisches Fahrverhalten
- erstaunlich sportlicher und spassiger Motor
- gute Verarbeitung
- gutes Fahrwerk mit einem praxistauglichen Einstellbereich
- vergleichsweise geringes Gewicht
- sehr hart im Nehmen
- ABS abschaltbar
- sehr geländegängig
- sehr gute Ergonomie
- wenig Sitzkomfort auf längeren Touren
- Bremse wirkt etwas lasch auf Asphalt
- Ausstattungsliste in Sachen Elektronik sehr kurz
- Lastwechsel bei niedrigen Drehzahlen
- das Bedienkonzept mit dem fummeligen Rad kam beim Test nicht gut an
Fazit: GASGAS ES 700 2023
Unterm Strich begeistert die ES 700 hauptsächlich dann, wenn zur Attacke geblasen und der Hahn über welchen Untergrund auch immer gespannt wird. Das resistente Fahrwerk mit reichlich Reserven, kombiniert mit dem Drehfreudigen Motor und wenig Gewicht, macht im Rally-Modus richtig Laune. Locker durchs Gelände geschwungen, lässt sie aber Restkomfort und auch Feedback vermissen. Dank des stabilen Fahrwerks kann sie aber auch Autobahnetappen mit 140 km/h abspulen, oder im Winkelwerk Gas geben. Unterm Strich ist die Gas Gas ES 700 extrem vielseitig einsetzbar, mit einigen Abstrichen beim Komfort. Für Interessenten der ES 700 lautet die Frage eindeutig: Bist du hart genug oder nicht?- geringes Gesamtgewicht
- gut dosierbare Leistungsentfaltung
- für einen 1 Zylinder sehr vibrationsarm
- gute Wahl für schweres Gelände
- auch auf Asphalt und bei hohen Geschwindigkeiten stabil
- viel Bewegungsfreiheit im Sattel ermöglicht aktives Fahren
- umfangreiches Elektronikpaket für eine Enduro
- sehr puristische Armaturen
- Fahrwerk wirkt etwas hölzern, gibt nicht das beste Feedback vom Reifen
- aktive Ergonomie fordert auf langen Passagen die Fitness des Fahrers
Bericht vom 30.10.2023 | 25.633 Aufrufe