Elektro-Motorräder in den Alpen - geht das überhaupt?!

Energica Experia gegen Zero DSR/X

Zero bezeichnet die DSR/X als Reiseenduro, Energica die Experia als Sporttourer - scheint so, als wären mit Elektro-Motorrädern nun auch längere Etappen möglich! In den Alpen wird durch die vielen Höhenmeter und die engen Kurven aber besonders viel Power und somit auch viel von der Akkuladung abverlangt - Elektro-Motorräder in den Alpen, geht das überhaupt?!

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Wer mit Elektromotorrädern so gar nichts anfangen kann und auch gar nicht bereit ist, sich auf diese Form der Fortbewegung einzulassen, kann diesen Bericht nun gerne verlassen. Ich werde weder die Energica Experia, noch die Zero DSR/X schlecht reden, ich werde sie aber auch nicht in den Himmel loben. Denn es gibt immer noch viele Hürden, die man mit einem Elektromotorrad überwinden muss - und auch wenn diese Hürden nun niedriger sind, sie sind immer noch vorhanden. Die beiden Hauptprobleme sind nach wie vor die eingeschränkte Reichweite und die lange Ladedauer. Wobei eines der beiden Elektromotorräder ohnehin erstaunlich weit kommt, das andere dafür schneller lädt.

Die Energica Experia kann richtig sportlich bewegt werden!

Aber eines nach dem anderen. Grundsätzlich sind die beiden Maschinen gute Motorräder mit ebenso guten Komponenten, wobei die Energica bei ihrer Performance noch einen Schritt weiter geht. Unfassbar, wie sich dieses ausgewachsene Motorrad mit 260 Kilo vorwärts katapultieren lässt, dabei einen richtig lauten Sound wie eine Turbine generiert und völlig ohne Schaltvorgänge in Geschwindigkeiten vorstösst, für die man auf einer normalen (Verbrenner-)Maschine schon viermal hätte schalten müssen. Durch den vergleichsweise tiefen Schwerpunkt ist auch das Gewicht gar nicht so schlimm, stattdessen das Handling angenehm neutral und die Verzögerung mit den hochwertigen Brembo-Bremsen auch richtig gut. Dank verschiedener Modi kann die Kraft natürlich auch eingebremst werden, im Eco-Modus etwa ist bei 90 km/h Schluss. Und auch die Rekuperation, also das Laden des Akkus, wenn man während der Fahrt vom Gas geht, kann in verschiedenen Stufen geregelt werden. Gar keine Motorbremse war für mich schon etwas befremdlich, die ganz arge Einstellung macht wiederum nur bei ganz steilen Abfahrten Sinn, dazwischen wird aber bestimmt jeder fündig.

Motorleistungen von Energica Experia und Zero DSR/X
Die Zero schiebt schon ordentlich an, die Energica macht es aber noch vehementer!
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Auf der Zero DSR/X wird das Thema Komfort ernst genommen

Die Zero DSR/X beschleunigt zwar etwas weniger brachial als die Energica, für sich betrachtet aber auch hervorragend und alle Funktionen gehen ebenso einfach und entspannt von der Hand. Allerdings ist schon die Sitzposition auf der Amerikanerin etwas gemütlicher als auf der Italienerin und die Bremse packt zwar brav zu, rubbbelt aber bei jedem Bremsmanöver unangenehm, was nicht unbedingt das Vertrauen fördert. Das Handling der Zero ist nicht ganz so agil wie auf der Energica, was allerdings auch zu einem gewissen Anteil der Front-Bereifung in 120/70-19 geschuldet ist. Die Experia vertraut stattdessen auf ein quirligeres 120/70-17er-Vorderrad - falls man bei einem ausgewachsenen Sporttourer überhaupt von quirlig sprechen möchte. So wie die Energica verfügt aber auch die Zero über mehrere Modi, mit denen man die Leistungsentfaltung reduzieren und die Reichweite erhöhen kann.

Wie weit kommt man nun wirklich mit Energica Experia und Zero DSR/X?

Und die Reichweite erhöhen ist auf der Zero DSR/X auch wichtig, denn die Reichweite ist bei weitem nicht so gut wie auf der Energica. Ausserdem sinken die noch zur Verfügung stehenden Prozent gegen Ende hin viel schneller als am Anfang, das macht die Energica homogener. Am Ende des Tages schafften wir mit vielen Änderungen an den Setups (man muss ja alles ausprobieren), insgesamt aber doch eher sportlicher, also unvernünftiger Fahrweise mit der Zero knapp 180 Kilometer, mit der Energica fast 220 Kilometer. Das allerdings in den Alpen über Pässe, die den Akku klarerweise mehr auslaugen als Fahrten mit mehr Geraden im Flachland. Da geht also um Einiges mehr in Sachen Reichweite und so mancher Tagestourist wird nun zugeben müssen, dass sich seine üblichen Touren durchaus mit der Energica oder der Zero bestreiten liessen. Da die Zero während der Tour offensichtlich eher an eine Ladesäule muss, hat sie wenigstens den Vorteil per Schnellladesystem schneller aufgetankt werden zu können. Das dauert dann nicht so lange wie bei der Energica.

Bild von Vauli
Vauli

"Ich war von den beiden Elektromotorrädern richtiggehend überrascht - nicht nur vom ordentlichen, bei der Energica regelrecht brachialen Antritt, sondern auch von der einfachen und zuverlässigen Bedienbarkeit so völlig ohne Kupplungshebel und Fußschaltung. Sogar in Sachen Reichweite haben mich beide Maschinen eines Besseren belehrt - selbst in den anspruchsvollen und Akku-saugenden Alpen sind Reichweiten über 200 Kilometer bei sehr sportlicher Fahrweise möglich. Das würde so manchem Genußfahrer bestimmt für seine Tagestouren reichen. Bleibt als einziger Wermutstropfen der hohe Anschaffungspreis, wobei die Energica nochmals knapp 5000 Euro gegenüber der Zero drauf gelegt haben möchte."

Sound von Energica Experia und Zero DSR/X
Die Werte täuschen ein wenig, die Energica surrt richtig laut und macht mächtig Eindruck!

1000PS gemeinsam mit MOTORRAD in den Alpen

Unsere Tests in den Alpen entstanden im Zuge des Alpenmasters 2023 unserer Partnerzeitschrift MOTORRAD. Im Tauschgeschäft mit unseren Videofähigkeiten bekamen wir einen Grossteil der Motorräder zur Verfügung gestellt und dürfen auch auf Testergebnisse der MOTORRAD-Crew zurückgreifen - denn Messwerte ergänzen subjektive Einschätzungen.

Bild von McGregor
McGregor

"Der Reisebetrieb ist die Königsdisziplin für den E-Antrieb und so ist auch bei der Energica Experia und Zero DSR/X die Reichweite das größte Problem, vor allem auf der Zero. Wer sich jedoch seine Route entlang der Ladestationen plant, der kann sich an der Agilität der Maschinen und dem endlosen Drehmoment des E-Motors erfreuen. Die Zero agiert hier als klassische Reiseenduro und signalisiert das mit der tieferen Sitzposition, größerem Vorderrad und weicher ausgelegten Bremsen und Fahrwerk. Die Energica geht mit ihren 17-Zoll Rädern, scharfen Bremsen und knackigerem Fahrwerk mehr in Richtung Sporttourer und macht auch bei flotter Fahrweise einen stabilen Eindruck."

Messwerte Energica Experia gegen Zero DSR/X
Enorme Beschleunigung der beiden Elektro-Bikes!

Fazit: Energica Experia 2023

Die Energica Experia lässt Reisen mit dem E-Motorrad zum Greifen nahe wirken. Sie ist ein ziemlich ausgereiftes, praxistaugliches Reisemotorrad. Noch zu einem relativ hohen Preis und mit Verbesserungspotenzial da oder dort, in Summe aber ein potentes Ausrufezeichen!


  • angenehmes Ansprechverhalten des Motors
  • beeindruckende Beschleunigungsleistung
  • üppige Ausstattung
  • tolle Bremsen
  • Rückwärtsgang
  • gelungene Ergonomie
  • gute Reichweite
  • keine Feststellbremse
  • Federvorspannung hinten nicht per Handrad verstellbar
  • hohes Gewicht
  • hoher Preis

Fazit: Zero DSR/X 2023

Die Zero DSR/X hat das Potenzial, E-Motorräder für eine breitere Masse attraktiv zu machen. Ihre Fahreigenschaften verdienen grosses Lob, die Power ist sensationell, die Reichweite absolut alltagstauglich. Gut vorstellbar, dass einige Reiseendurofahrer nach einer Probefahrt schwach werden könnten. Zero hat hier einen grossen Wurf abgeliefert.


  • extrem drehmomentstarker Motor (225 Nm)
  • sehr einfach zu fahren
  • neutrales Handling
  • gute Ausstattung
  • tolle Gasannahme
  • alltagstaugliche Reichweite
  • relativ hoher Einstiegspreis
  • Bremse rubbelt
  • etwas umständliche Menüführung
  • keine Feststellbremse
  • geringe Reichweite

Bericht vom 26.07.2023 | 19.136 Aufrufe

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