Die neue Kawasaki Z H2 im Test. Highspeed Oval & Rennstrecke!
Power Naked, Power Cruiser, Naked Power Tourer? Was ist sie denn?
Mit mehr als 250 km/h auf die Steilkurve zu - ein irres Gefühl! Am Anfang kostet die Fahrt im Oval noch etwas Überwindung im Sattel. Doch die neue Kompressor aufgeladene Kawasaki Z H2 mit ihrem auf Stabilität getrimmten Handling und gut integrierter Sitzposition liegt dermassen solide in der Bahn, so dass schnell Vertrauen gefasst werden kann und die Fahrt zum Genuss wird. Kaum ein anderes Power Naked könnten wir uns besser für solch eine Hochgeschwindigkeitsfahrt vorstellen. Genauso macht die Kawasaki auf der Landstrasse und auf flotten Autobahn Etappen eine tolle Figur. Wo liegen die Stärken und Schwächen des Konzepts? Wir klären auf!

Kawasaki Z H2 - aussergewöhnliches Design aus Tradition
Kawasaki baut mit der neuen H2 ihre nackte Z Familie für 2020 nach oben hin weiter aus. Sie ist nun auch das vierte aufgeladene Modell im Sortiment. In Sachen Optik ist sie durch ihren asymmetrischen, technisch zerklüfteten Auftritt definitiv etwas Einzigartiges. Die Frontverkleidung samt LED Scheinwerfer ist starr und weit nach vorne gezogen. Links ragt der langgezogene Ansaug-Kanal der Seite entlang und macht klar, dass es sich hier um kein alltägliches Bike handelt. Dennoch kann die Designsprache, welche Kawasaki mit "Sugomi" betitelt, eindeutig den grünen Japanern zugeordnet werden. Schon die aufgeladenen Supersportler und Sporttourer aus der H2 Serie schlagen visuell in eine ähnliche Kerbe. Begibt man sich ganz an den Beginn der H2 Modellhistorie, in das Jahr 1972, so war auch schon die 750 H2 etwas Besonderes, hatte sie doch an der rechten Seite zwei Endtöpfe und links noch einen weiteren. Für Individualisten dürfte die Z H2 also alleine schon ihres Aussehens wegen eine heisse Kandidatin sein. Aber Schluss nun mit dem Philosophieren über die Optik - letztendlich liegt bekanntlich die Schönheit immer im Auge des Betrachters.
Kawasaki Z H2 überzeugt mit einzigartigem Motorkonzept
Den bereits aus der H2 SX bekannten 998 ccm Reihenvierzylinder Motor installiert Kawasaki nun auch in der Z H2, nur die Endübersetzung wurde für das Naked Bike minimal kürzer. Die Kompressor-Aufladung macht ihn zu einer Besonderheit. Ein 69 mm Impeller schaufelt mit insgesamt 18 Rotorklingen massenweise komprimierte Luft in die Brennräume. Das resultiert in einer, für Reihen-Vierzylinder untypischen, druckvollen Charakteristik bereits ab niedrigsten Drehzahlen. Die Laufkultur des Aggregats ist dabei mustergültig. Fein Dosierbar in jedem Drehzahlbereich, sanft in der Gasannahme, durchgehend nahezu Vibrationsfrei und mit 137 Newtonmetern extrem kraftvoll im Antritt. Dass man auf einem - mit 200 PS überaus potent motorisierten - Power Naked sitzt, vergisst man bei der Bummelei durch die Stadt wegen der laufruhigen Antriebseinheit gerne mal. Öffnet man nach dem Ortsschild aber den Gashahn, gibt der Motor augenblicklich Leistung frei und treibt ein breites Grinsen ins Gesicht des Piloten. Die zwitschernde Geräuschkulisse, wenn das Bypassventil überschüssigen Druck ablässt, ist dabei ebenso ein echt einzigartiger Genuss. Das nutzbare Drehzahlband ist in der Praxis extrem breit, von 2.000 bis über 11.000 Touren ist alles möglich. Der Fahrer bestimmt ob gemütliches Cruisen oder kurz zwei, drei Gänge nach unten geschaltet, ein böses Beschleunigungs-Inferno angesagt ist.
Für die H2 Serie typisch, kommt auch an der nackten Z das aus dem Rennsport stammende Dog-Ring-Sechsganggetriebe zum Einsatz. Der Quickshifter, welcher serienmässig in beide Richtungen funktioniert, ermöglicht den Gangwechsel schnell und unkompliziert, ohne Einsatz der Kupplung. Das aufwändige Getriebe passt wunderbar zum gesamten technischen Anspruch des Bikes. Auch Funktional gibt es hier absolut nichts zu meckern, präzise und satt rastend lassen sich die Gänge sortieren.
Volles Elektronik-Paket hält die Leistung der Z H2 in Zaum
Premium ist auch die vollumfängliche Elektronik Ausstattung an der Z H2. Schräglageabhängiges ABS und Traktionskontrolle verstehen sich als obligatorisch. Die Datenbasis liefert dabei eine 6-Achsen IMU von Bosch. Die Regeleingriffe der genannten Systeme sind angenehm fein und orientieren sich variabel am aktuell ausgewählten Fahrmodi. Hier steht "Rain", "Road" und "Sport" sowie ein frei konfigurierbarer "Rider" Mode zur Verfügung. Erwähnenswert ist auch die toll funktionierende Wheelie-Control, welche im Zusammenhang mit der Traktionskontrolle agiert. Dank satter Motorleistung lässt Sie im Modus Sport, mit sanften Eingriffen in den Gängen 1 bis 3, bei voll geöffnetem Gasgriff das Vorderrad wie von Geisterhand gehalten, etwa 30 Zentimeter über dem Grund schweben. Einzig, dass sie nicht separat abschaltbar ist, darf als kleiner Wermutstropfen gewertet werden. Für die Leistungsabgabe, stehen des Weiteren drei Optionen zur Auswahl, wobei dank der perfekten Abstimmung des Ride-by-Wire in unserem Test ausschliesslich F für "Full" im Einsatz war. Komplettiert wird das Elektronik Paket durch eine Launch Control, sowie einen intuitiv bedienbaren Tempomat, welcher am linken Lenkerende über drei Tasten gesteuert werden kann.
Das 4,3 Zoll Farb TFT-Display im Cockpit der Z H2 kennt man bereits aus anderen aktuellen Kawasaki Modellen. Es gibt sämtliche Inhalte perfekt ablesbar und gestochen scharf wieder. Ein Möglichkeit das Smartphone mit dem Display zu koppeln gibt es natürlich ebenfalls. Mittels der Rideology App können diverse Einstellung am Fahrzeug vorgenommen werden. Ebenso werden auf Wunsch detaillierte Daten ausgelesen und Touren in der App aufgezeichnet. Auch Anrufe und Mitteilungen werden im Instrument angezeigt.
Kawasaki Z H2 mit entspannter Sitzposition und langstreckentauglicher Ergonomie
Im Sattel der Z H2 erfreut man sich einer sehr komfortablen, gut integrierten Positionierung. Der Lenker ist relativ weit nach hinten zum Fahrer gezogen, so dass automatisch eine entspannte Haltung eingenommen wird. Auch die Beine finden am 19 Liter fassenden Tank gut in Stellung. Die Pedalerie ist in so angebracht, dass sich zusammen mit einer Sitzhöhe von 830 mm auch für grossgewachsene Piloten ein langstreckentauglicher Kniewinkel ergibt. Für Naked Bike Verhältnisse liefert die wuchtige Frontpartie der Z H2 tatsächlich ein tollen Windschutz. Der kleine Flyscreen, welcher über der Display-Einheit sitzt, sorgt ebenso für einen wahrnehmbaren luftabweisenden Effekt.
Kawasaki Z H2 mit komfortorientiertem Fahrwerkssetup
Passend zum Sitzgefühl gibt sich die Z H2 auch im Fahrbetrieb. An der Front wurde eine voll einstellbare 43 mm Showa Seperate Function Big Piston Upside-Down-Gabel mit 120 mm Federweg eingesetzt. Am Heck arbeitet, ebenfalls von Showa, ein einstellbares Federbein mit 130 mm Federweg. Im Grundsetup gibt sich die Z H2 eher soft und komfortorientiert abgestimmt. Insgesamt liegt sie in ihrer Auslegung klar auf der stabilen Seite. Dazu trägt neben dem langen Radstand von 1.455 mm auch die Schwingenkonstruktion bei, welche sich stark an jener der supersportlichen ZX-10R orientiert. Geht es sportlich zur Sache, will sie mit etwas Nachdruck und Körpereinsatz in den Radius geworfen werden.
Auf der Rennstrecke, im Infield des Las Vegas Motor Speedway, wo wir im Zuge unseres Tests gefahren sind, war schnell klar wo die Stärken des Konzepts liegen. In langen schnellen Kurven liegt sie wunderbar satt und präzise in der Spur. Geht es aber in enge und wechselnden Radien macht sich schnell das vergleichsweise hohe Gewicht von 239 kg im fahrfertig Zustand, sowie auch die frontlastige Auslegung bemerkbar. Hier fährt sie sich gefühlt eher wie ein Sporttourer, denn ein agiles Power Naked. Die Schräglagenfreiheit geht dabei für die Landstrasse voll in Ordnung. Bei ambitionierter Fahrt auf der Rundstrecke hatten die Fussrasten aber doch regelmässig Bodenkontakt. Immerhin sportliche 52 Grad maximal Schräglage attestierte uns die "Lean-Angle" Anzeige dabei im Cockpit.
Echte Sportler Qualitäten dürfen hingegen der Bremsanlage attestiert werden. Die beiden Brembo M4 Monoblock Sättel verbeissen sich in eine 320 Millimeter Doppel-Scheibe und verzögern performant zuverlässig. Selbst bei unserem Ausflug auf die Rennstrecke gab es damit trotz hohem Fahrzeuggewicht absolut keinen Anlass zur Kritik. Am oberen Ende der Bremsleitung ist eine radiale Nissin Bremspumpe im Einsatz, welche optimal bedien- und einstellbar ist. Ebenso ist am anderen Lenkerende eine hübsche Nissin Armatur zur Bedienung der hydraulischen Kupplung installiert.
Mit der Kawasaki Z H2 im Highspeed Oval
Ein besonderes Highlight im Testprozedere war die Fahrt im Highspeed Oval des Las Vegas Motor Speedway. Dort wo normalerweise NASCAR Piloten um Positionen fighten, donnerten wir mit den aufgeladenen Kompressor Nakeds die Steilkurve entlang. Hier konnte voll durchgeladen werden. Neben der enormen Motorleistung, macht sich im Hochgeschwindigkeitsbereich auch die bereits zuvor geschilderte, stabile Auslegung des Fahrzeugs besonders positiv bemerkbar. Tief hinter die kompakte Frontverkleidung geduckt, und gut in das Fahrzeug integriert, kann mit über 220 km/h die Kurve geentert werden. Anfangs noch mit etwas Überwindung und flauem Gefühl im Bauch, nach ein paar Runden aber äusserst souverän und mit grossem Spassfaktor. Sagenhaft, wie dieser einzigartige Motor die Z H2 dann auf den Geraden noch bis auf über 270 km/h beschleunigt, ein grandioses Gefühl. Dieser enorm druckvolle Antritt beim Öffnen des Gasgriffs grenzt sie ganz klar von gewöhnlichen Reihenvierzylindern am Markt, und somit auch auch dem Schwestermodell Z1000, ab.
Kawasaki Z H2 Preise, Farben, Verfügbarkeit
Die neue Kawasaki Z H2 ist ab sofort in drei Farben im Händlerschauraum zu bewundern.
- Metallic Spark Black / Metallic Graphite Gray mit grünem Rahmen
- Metallic Matte Carbon Gray / Metallic Flat Spark Black mit rotem Rahmen
- Metallic Diablo Black / Metallic Flat Spark Black mit schwarzem Rahmen
Darüber hinaus könnt ihr die Z H2 auf der Swissmoto bewundern.
Preislich ist die nackte Z H2 nun das günstigste Familienmitglied unter den Kompressor aufgeladenen Kawasaki Modellen. Echtes Schnäppchen ist sie mit ihrem exklusiven Charakter natürlich dennoch keines. Der Käufer bekommt aber einiges für sein Geld geboten.
Fazit: Kawasaki Z H2 2020
Die Kawasaki Z H2 ist kein Power Naked im klassischen Sinne. Ihre Sitzposition, sowie auch die Fahrwerks-Abstimmung ist merklich auf Komfort getrimmt und auch der Windschutz geht für Naked Bike Verhältnisse mehr als nur in Ordnung. Der Kompressor Motor macht Sie zu einer echten Besonderheit! Untypisch für einen Reihen-Vierzylinder liegt dank Aufladung schon in niedrigen Drehzahlen viel Druck an. Die Laufkultur des Aggregats ist dabei Mustergültig. Fein Dosierbar in jedem Drehzahlbereich, sanft in der Gasannahme, durchgehend nahezu Vibrationsfrei, und mit 200 PS Spitzenleistung extrem Kraftvoll. Die zwitschernde Geräuschkulisse, wenn das Bypassventil überschüssigen Druck ablässt, ist ebenso Einzigartig. Nicht zuletzt bringt die Kawasaki Z H2 auch an Sicherheits- und Komfort-Ausstattung das volle Programm mit sich.- druckvoller Reihenvierzylinder
- einzigartige Kompressor Aufladung
- angenehme Sitzposition
- guter Windschutz für Naked Bike Verhältnisse
- Geräuschkulisse des Kompressor Motors
- knackig, präzises Dog Ring Getriebe
- überkomplette Elektronik Ausstattung
- polarisierende Optik
- hohes Gewicht
- limitierte Schräglagenfreiheit bei sehr sportlicher Fahrweise
- Fahrwerksabstimmung ab Werk etwas lasch
Bericht vom 11.02.2020 | 33.853 Aufrufe