Handcrafted: Exklusive Yamaha XV 750
Urtümlicher Chopper in handfesten Cafe Racer verwandelt
Einen urtümlichen Chopper in einen handfesten Cafe Racer verwandeln? GEHT!

Gerade eben sind sie erst gekürt, die besten Händler-Customs im Rahmen des 'Yamaha Yard Built Contest' auf Basis der 'Sport Heritage' Modelle. Da hat ein Privatier aus dem Süddeutschen Raum schon länger über solch ein älteres Kaliber nachgedacht und einer XV750 längst neues Leben nein, nicht eingehaucht eher handfesten Krawall unter die Rippen gepumpt. Soll mal einer sagen, dass ein Chopper nicht zum Cafe Racer mit klassischen Attitüden taugt. Phantasie, Handwerk und Können, gemixt mit einem ordentlichen Satz aus festen Freunden, das ist die solide Basis für diese XV750, die im Ursprung schon 30 Jahre auffem Buckel hat. Sieht man ihr nicht mehr an.
Aus alt mach gediegen. Das sagte sich Thomas Helbig aus Steinenbronn im Stuttgarter Raum. Der hat nach 16 Jahren Motorradabstinenz, die er bis 2013 mit einem 1-PS-Quarterhorse verbrachte, durch Zufall am 101 am Glemseck vorbei geschaut: Angefixt durch die vielen coolen Mopeds stand für mich gleich fest, dass ich mir so etwas zulegen werde. Also habe ich angefangen, im Worldwideweb zu recherchieren. Da bin ich auf die XV920 von Greg Hagemann aus den USA gestossen. Er war der Erste, der aus dem Chopper einen Cafe Racer gebaut hat. Somit stand für mich schon mal fest, welcher Motorradtyp es sein sollte.
Nach längerer Suche fand ich am Bodensee eine XV 750 mit Baujahr 1984 für kleines Geld. Laufleistung 76.000 km. Die stand seit zwei Jahren im beheizten Keller und fristete da ihr frustrierendes Dasein. Ich fühlte mich berufen, sie davon zu befreien. Die Frau war 'not amused', aber Thomas verfügt glücklicherweise über eine Scheune, in die er sich eine schöne kleine Werkstatt eingerichtet hat. Aus den Augen der Frau, aus deren Sinn... Doch wirklich schnell sollte sich der Umbau auch nicht gestalten: Beginn Umbau 1.0 startete im Oktober 2013. Mittlerweile hatte ich mich im Caferacerforum angemeldet.
Klasse Umbauten, keine schrägen Typen, sondern immer nette Leute, die mit Rat und Tat zur Seite stehen. Noch mehr und langlebiges Glück für Thomas: Drehen, Fräsen, Härten, Schleifen, Erodieren und noch vieles mehr habe ich gelernt und kann also viele Dinge auch in Eigenregie ausführen . Für ein Low Budget-Projekt also wie geschaffen.
Striptease first!
An das zunächst vollkommen gestrippte Moped kamen zuerst Stummellenker dran: Um die klassische Cafe Racer Sitzposition zu erhalten. Die neue Sitzplatte und das Bürzel fräste ich direkt auf mich zugeschnitten, nach meiner Zeichnung auf Papier, dann 3D im CAD umgesetzt und final an einer Fünf-Achs-CNC Fräsmaschine aus dem Vollen gefräst. Parallel gab es eine neue Halterung für den Tank. Thomas plaudert weiter aus dem Schrauberkästchen: Das Gute an der XV 750 ist, dass der Sitz kein tragendes Teil des Rahmens darstellt. Somit ist das Ganze auch nicht so kritisch wegen der Abnahme beim TÜV.
Die weiteren Schritte waren dann eigentlich nicht mehr so aufwendig, aber: Eigentlich wollte ich nach drei Monaten mit dem Umbau fertig sein, damit ich beim ersten schönen Wetter auf die Strasse kann. Doch leider kam eine Herz-OP dazwischen. Von Ende Dezember 2013 bis Mitte März 2014 war ich erst mal ausser Gefecht. Das Moped hatte in der Zeit Pause. Aber nach der OP konnte ich wieder mit Vollgas ran. Elektrik unter den Tank, Sitzpolster anpassen und beim Sattler beziehen lassen, Tank lackieren und das Moped zum Laufen bringen. Die TÜV Plakette gab es nach sorgfältiger Präparation daraufhin auch prompt und verdient.
Kumpelz live!
Über das Caferacerforum hatte sich mittlerweile durch Kumpel Andreas ein Stammtisch gebildet, an dem ich dann endlich auch mit Motorrad vorfahren konnte. Aus dem Stammtisch wurde dann Mitte des Jahres die 'Cafe Racer South Germany'. Wir wollten vom Stammtisch-Charakter weg, mehr mit den Motorrädern fahren und live Kontakte zu anderen herstellen. Das Ganze gibt es mittlerweile als Facebook Gruppe, die von Andi, Alex und mir betrieben wird. Highlight war für Thomas dann das Glemseck 101 im letzten Jahr: 2013 noch als Zuschauer ohne Motorrad, 2014 mittendrin mit dem eigenen Bike.
Das Ziel war erreicht! Getreu dem Motto A Bikers work is never done, hielt sich Thomas aber nicht lange zurück und griff zu einem Satz Speichenräder. Vorne erfolgte der Umbau auf eine alte SR 500 Felge, hinten kam eine Yamaha Drag Star Felge dran. Dann erfuhr das 30 Jahre alte Fahrwerk eine passende Verjüngungskur: Umrüsten vorn auf eine USD einer Yamaha R1, Federbein hinten Yamaha R1, Scheibenbremsen adäquat, sowieso.
Details par excellence
Im Einzelnen fertigte Thomas ein Gabeljoch für die neue Gabel an und verkleinerte passend die untere Gabelbrücke. Die obere Gabelbrücke cleante er, als er die Upsidedowngabel montierte. Hier listet Thomas weitere Einzelheiten auf: Die Speichenrad der SR 500 habe ich so überarbeitet: Felgenring und Nabe Pulverbeschichtet, selbst neu eingespeicht. Adapter für die Scheibenbremse angefertigt. Nabe vom Hinterrad geändert, um Platz für den Bremsscheibenumbau zu schaffen. Mitnahme für den Kardan neu angefertigt.
Adapter für die Bremsscheibe geplant, gezeichnet, gedreht und gefräst. Felgenring, Nabe und Adapter Pulverbeschichten lassen und neu eingespeicht. Neue Achse für hinten angefertigt und Nabe neu gelagert. Beim Reifenhersteller nach Reifenfreigaben geschaut und neue Grössen aufziehen lassen. Die alte Grösse war angegeben mit vorne 19, hinten 16, der Umbau erfolgte auf vorne 18 hinten 15. Das war der Stand im Jänner 2015.
Selber machen lassen
Der Auspuff war dann noch eine Arbeit, bei der ich auf die Hilfe von Andreas angewiesen war. Der originale Auspuff ist nicht unbedingt der Knaller. Spontan entschlossen wir uns dazu, aus Einzelteilen einen '2 in 1'- Krümmer anzulegen. Ich bereitete die Edelstahlbögen vor, geschweisst hat mir dann das Ganze der Andi. Den Shark-Endtopf habe ich von einem Bekannten bekommen.
Angepasst mit einem DB-Killer ging es erneut und erneut erfolgreich zum TÜV. Die neuen Pläne stehen natürlich auch schon: Der Motor sollte dringend mal auf Vordermann gebracht werden. Gut möglich, dass eine Leistungssteigerung erfolgt. Ideen dazu gibt es jedenfalls schon. Jetzt wird aber erst mal schnell noch die Rest-Saison 2015 genossen!
Technische Daten:
Modell Yamaha XV 750, Baujahr 1984, 50 PS Gekauft 2013 mit 76000km
Umbau:
- Vorne Upsidedowngabel von Yamaha R1 mit orig. Gabelbrücken (Pulverbeschichtet). Gabeljoch neu angefertigt und in untere Gabelbrücke eingeschrumpft. So angepasst das orig. Kegellager und Lagersitze von XV 750 verwendet werden konnten. Obere Gabelbrücke gecleant (Zündschlossaufnahme)
- Speichenrad vorne von Yamaha Sr 500 mit Reifen Michelin 100/90-18, neu gelagert, neu eingespeicht, Nabe und Felgenring Pulverbeschichtet, neue Achse angefertigt
- Bremse vorne links Yamaha R1 mit Bremsscheibe von Ducati Monster, Distanzring für Bremscheibe aus Alu selber angefertigt
- Bremspumpe Brembo von Ducati
- Griffe aus Alu selber angefertigt, Gasseitig einteilig angefertigt das der Gaszug direkt eingehängt werden kann
- LED´s in Stummellenker Stirnseitig integriert
- Tacho von Motogadget, Taster für Tacho in Stummellenker Stirnseitig
- Lampe Zubehör V-Rod
- Schutzblechhalterungen aus Messingstangen selber angefertigt
- Tank original XV 750, mit angepasster Tankhalterung, Tank entlackt und blank geschliffen. Tanklogos auf beiden Seiten selber entworfen und lackiert (Maskiert (negativ mit Schneideplotter geschnitten und mit Airbrush lackiert). Anschl. Klarlack. Aktuell neuer Tank in Arbeit
- Elektrik komplett unter Tank gelegt
- Sitzplatte und Bürzel selber entworfen und aus Aluminiumhalbzeug gefräst. Unterseite Sitzplatte mit Yamaha Logo. Material Aluminium 7075
- Bürzel komplett aus Aluminium 7075 aus dem vollen auf 5 Achs CNC Fräsmaschine gefräst (Innen hohl). Rücklicht integriert
- Sitzpolster selber in Form gebracht und anschl. beziehen lassen von Sattler. (G+D Sattlerwerk, Stuttgart Plieningen)
- Nummernschildhalterung aus Aluminium angefertigt
- Fussrasten Tarozzi an Original Platten XV 750 befestigt. Gestänge links für Schalung angefertigt
- Schauglas (Steuerkette, Motor links) anfertigt aus Aluminium mit Makrolonscheibe
- offener Luftfilter (Zubehör) an Originalaufnahme
- Zündschloss seitlich vorne rechts
- LiFePo4 Batterie mit Eigenbau Batteriekasten
- Krümmer 2 in 1 Eigenbau aus V2A, Steckbar mit Federn. Geschweisst von Andreas Eisele
- Auspuff von Shark (Zubehör für Triumph Bonneville)
- Federbein Hinten von Yamaha R1 mit Eigenbau Adapter
- Hinterrad von Yamaha Drag-Star. Nabe und Felgenring Pulverbeschichtet, neu eingespeicht, Hinterrad umgebaut von Trommelbremse auf Scheibenbremse. Adapter selber geplant, gedreht und gefräst. Bremsanlage hinten komplett von Yamaha R1. Bremspumpe an orig. Fussrastenplatte adaptiert. Kardanmitnahme neu anfertigt (gefräst). Reifen: Michelin 140/90-15. Neue Achse angefertigt. Nabe komplett neu gelagert.
Bericht vom 19.10.2015 | 36.279 Aufrufe